Winter 2021/22: Eine atlantische Posse

Winter im Wandel
Der Winter ist unter den vier Jahreszeiten jene mit der wohl größten Variabilität; die Vorstellung, dass ein jeder Winter früher grimmig kalt und schneereich war, ist eine Mär. Kaum jemand weiß zum Beispiel, dass ein Winter aus dem 18. Jahrhundert (1795/96) rund 200 Jahre lang unangefochten an der Spitze der wärmsten Österreichs stand, oder dass bereits in den 1910er Jahren besonders milde Winter häufig waren. Doch wirklich Usus wurde Winterwärme erst im Laufe der 90er Jahre, im 21. Jahrhundert schließlich zur Regel: Was zuvor jahrhundertelang einzigartig blieb, wurde in den letzten 30 Jahren bereits mehrmals überboten. Genau diese 30 Jahre (1991-2020) dienen nun erstmals als neuer Vergleichszeitraum, mit dem sich zukünftige Winter zu messen haben – und schon der erste schneidet im Vergleich horrend ab; fast so, als wäre nie Winter gewesen. Eine Bilanz.

Die wärmsten Winter Österreichs seit Messbeginn 1768 (Abweichungen zur Klimanormalperiode 1991-2020 nach dem HISTALP-Datensatz). Die Platzierung ist über die zweite Nachkommastelle bestimmt.

Protziger Frühstart
Und dabei hat ja alles so gut begonnen: Bereits Ende November gabs landesweit den ersten Schnee, alle Landeshauptstädte hatten eine mehr oder weniger dicke Schneedecke – in St. Pölten (NÖ) mit 5 cm etwa die dickste Novemberschneedecke seit 11 Jahren (zuletzt 2010). In der Adventzeit folgten rasch weitere Schneefälle, erst im Süden, wenige Tage später im Osten. Beides durchaus beachtenswerte Ereignisse: Sowohl Klagenfurt (K, 34 cm Gesamtschneehöhe am 06.12.), wie auch Wien (15 cm am 10.12.) waren beispielsweise so gut bestückt, wie schon seit fast 9 Jahren nicht mehr (zuletzt im Februar 2013), Graz (ST, 14 cm am 10.12.) und Eisenstadt (B, 11 cm 10.12.) schmückten sich mit dem dicksten Winterkleid seit 2018. So schneereich dieser Frühstart auch war, Fortsetzung fand er keine; in den folgenden 10 Winterwochen ist in den Landeshauptstädten kaum noch nennenswerter Neuschnee nachgekommen. In Graz (ST) beispielsweise ließ sich den gesamten Jänner hindurch nicht mal mehr eine Schneeflocke blicken – Jänner ohne Schneedecke gab es in der steirischen Landeshauptstadt schon öfter, dass es aber den ganzen Monat hindurch nicht ein Mal schneit, hat es in der Grazer Messgeschichte zuvor erst ein Mal gegeben, nämlich im Jänner 2005.

Ort Bundesland Neuschneemenge Mittel 1991-2020 Abweichung
Klagenfurt K 66 cm 47 cm + 40 %
Salzburg – Freisaal S 44 cm 89 cm – 50 %
Innsbruck – Universität T 26 cm 68 cm – 62 %
Bregenz V 24 cm 62 cm – 61 %
Wien – Hohe Warte W 22 cm 41 cm – 46 %
Linz 21 cm 46 cm – 54 %
Eisenstadt B 20 cm 32 cm – 37 %
Graz – Universität ST 18 cm 34 cm – 47 %
St. Pölten 8 cm 38 cm – 79 %

Rückgang der durchschnittlichen Anzahl der Wintertage mit Schneedecke in Klagenfurt.

Ein vermeintlicher Ausreißer
So kann und darf es nicht verwundern, dass 8 von 9 Landeshauptstädte schneemäßig in der Gesamtbilanz katastrophal abschneiden (siehe obige Tabelle): Das Minus sowohl bei Neuschneesumme wie auch Schneedeckentage (also jener Tage, an denen zumindest 1 cm Schnee liegt) ist auch heuer wieder eklatant, selbst verglichen mit den schon sehr schnee-unfreundlichen Wintern der letzten 30 Jahre. Als einziger Ausreißer in der Bilanz sticht Klagenfurt hervor, das sowohl bei Neuschnee (+40 %), wie auch Tagen mit Schneedecke (+74 %) ein großes Plus vorweisen kann – ein schneereicher Winter also in der Kärntner Landeshauptstadt? Stimmt nur bedingt, auch in der Kärntner Landeshauptstadt ist freilich der Klimawandel eingezogen: Lag zum Beispiel die Anzahl der Schneedeckentage Mitte des letzten Jahrhunderts in einem durchschnittlichen Winter noch bei rund 63 Tagen, sind es mittlerweile 43 – Klagenfurt tanzt mit seinen heuer 75 Tagen also nur deshalb aus der Reihe, weil sich die Stadt so gab, wie sie früher im Winter häufiger mal war; in den letzten 30 Jahren hat Klagenfurt im Mittel pro Jahrzehnt eine Woche mit Schneebedeckung verloren! Auch vom Rekord sind wir übrigens weit entfernt, im Winter 1985/86 war Klagenfurt an 130 Tagen durchgehend weiß, vom 12. November bis zum 22. März.

Niederschlagsanalyse des Schneefallereignisses vom 06. Jänner 2022 am Beispiel Dobratsch (K).

Schnee-Highlights
Im Bergland hingegen war die Winterwelt schneemäßig in Ordnung, zwar nicht überall überragend, aber doch mit größeren Schneefall-Ereignissen. Am Dobratsch (Villacher Alpe, K) auf 2117 Meter Seehöhe wurden beispielsweise am 05.01. innerhalb von nur 24 Stunden für das Hochgebirge beachtliche 65 cm Neuschnee gemessen – die größte Menge in einem Wintermonat seit Messbeginn 1967, noch größere Neuschneemengen sind sind hier oben nur im Spätherbst oder Frühling zu finden (Rekord: 125 cm / 24 h im Mai 1979). Im Wintersportort Seefeld (T, 1182 m) wiederum flockte es am 31.01. mit in Summe 50 cm Neuschnee in 24 Stunden – ähnliche Mengen gab es hier zuletzt mit 52 cm im Feber 2009, der Rekord liegt bei 93 cm im Jänner 1995. Und selbst in tieferen Lagen konnte sich inneralpin der Winter wacker in Szene setzen, etwa in Bischofshofen (S, 550 Meter): Mit 29 cm Neuschnee gab es auch hier am 31.01. das größte Schneefallereignis seit November 1999 (damals mit 40 cm). Summa summarum liegt die Schneeausbeute im Bergland (Neuschneemenge wie auch Schneedeckentage) im Bereich der langjährigen Mittelwerte, nur vereinzelt finden sich Negativausreißer (etwa in Oberkärnten).

Der Winter bilanziert österreichweit ausgeglichen (Niederschlagsabweichung in % vom langjährigen Mittel, Analyse: ZAMG)

Atlantikpfuscherei
Die Schneearmut im Flach-, teils auch Hügelland (bspw. Waldviertel) lässt sich also nicht durch fehlende Niederschläge – woran ja auch schon so mancher Winter gescheitert sein soll – erklären, sonst würde im Bergland die Schneebilanz ebenfalls anders aussehen. Es gab zwar zwischendurch immer wieder längere trockene Phasen (gerade im Jänner), in der österreichweiten Auswertung aber schneidet der Winter niederschlagsmäßig halbwegs ausgeglichen ab. Bleibt als zweite mögliche Ursache also nur die Temperatur, und hier bestätigt sich einmal mehr ein ungeschriebenes Gesetz: Hat der Atlantik seine Finger im Spiel, ist beim Winter so gut wie immer Hopfen und Malz verloren (freilich abhängig davon, wie lange er das Kommando innehat) – mit ein Grund, warum auch in der Vergangenheit nicht immer ein jeder kalt sein konnte. Andauernde Westwetterlagen sind in der Regel eines jeden Winters Feind, bei polarer oder gar russischer Intervention (resp. Nord- oder Nordostlagen) hingegen kann ein Winter in Sachen Kälte aus dem Vollen schöpfen. Kommt es im Zuge einer solchen auch noch zur Bildung eines Italientiefs, heimst das Flachland überhaupt den Winter-Jackpot ein; die anfangs erwähnten Ereignisse Ende November und Anfang Dezember kamen dieser Konstellation (Kaltluft + Italientief) schon sehr nahe.

Alle Jahre wieder …
Des Atlantiks Parade-Opfer ist dabei just Weihnachten – das alljährliche Weihnachtstauwetter ist als eine der wenigen “Bauernregeln” leider kein Mythos, sondern schlägt mit gewisser Regelmäßigkeit häufig in der zweiten Dezemberhälfte zu und zählt damit zu den sogenannten klimatologischen Singularitäten, wiederkehrende, charakteristische Wetterlagen in einer bestimmten Zeit im Jahr – im Falle des Weihnachtstauwetters häufig atlantisch geprägt. Zu tauen gab es in den Niederungen zwar auch heuer nichts mehr, warm war es trotzdem: An österreichweit 40 Stationen wurde etwa am Heiligen Abend die 10-Grad-Marke überboten, mit einem Maximum von 13,7 Grad in Mattersburg (B) und Wiener Neustadt (NÖ) – weit weg von Rekorden, auffällig aber, dass zweistellige Pluswerte zu Weihnachten mittlerweile Pflichtprogramm geworden sind; was im 20. Jahrhundert lediglich ab und zu mal vorkam, ist seit 2009 nunmehr an jedem 24.12. irgendwo in Österreich aufgetreten – mal im Westen, mal im Osten.

Weihnachtsüberraschungen
Und doch war heuer etwas anders: Die Weihnachtswärme konnte sich (auch für uns Meteorologen) überraschenderweise nicht so recht durchsetzen. In Wien (Hohe Warte) zum Beispiel gings zwar innerhalb von nur 24 Stunden vom Dauerfrost ins zweistellige Plus (Höchstwert -0,5 Grad am 23.12. > +11,3 Grad am 24.12), allerdings genauso schnell wieder zurück ins Minus (Tiefstwert -2,3° am 26.12.) – diese Achterbahnfahrt der Temperatur sucht in der Wiener Messgeschichte (seit 1872) seinesgleichen, mit erfreulichem Resultat: Zu Stefani (26.12.) war die Stadt, wie auch weite Teile des Flachlandes, schlussendlich angezuckert! Die Schneemenge blieb zwar überall unter 1 cm (weshalb dieser Tag auch nicht als Tag mit Schneedecke in die Klimatologie eingeht), aber zu Weihnachten gelten bekanntlich andere Maßstäbe – weiß ist weiß, und Schneefall an den Weihnachtsfeiertagen (speziell im Flachland) sowieso eine Ausnahmeerscheinung. Mancherorts war das gar der erste weihnachtliche Schnee des Jahrhunderts, wie in St. Pölten (NÖ, zuletzt Neuschnee an einem der Weihnachtsfeiertage 1996). Das Weihnachtsfest 2021 brachte also feine klimatologische Überraschungen. Und das letzte Lebenszeichen des diesjährigen Winters.

Temperaturverlauf von Wien (Hohe Warte) zu Weihnachten 2021.

Des Winters Todesstoß
Was folgte, klingt wie ein Witz, wie ein schlechter Film: Der Jahresausklang wie auch Start ins neue Jahr brachte Wärme-Rekorde in allen Facetten und Varianten, unter anderem:

  • Vereinzelt die wärmste Dezembernacht der Messgeschichte,
  • gebietsweise den wärmste Dezembertag der Messgeschichte,
  • österreichweit den wärmsten Silvestertag der Messgeschichte,
  • österreichweit die wärmste Silvesternacht der Messgeschichte,
  • österreichweit den wärmsten Jahreswechsel der Messgeschichte,
  • österreichweit den wärmsten Neujahrsmorgen der Messgeschichte,
  • österreichweit den wärmsten Neujahrstag der Messgeschichte,
  • gebietsweise eine der wärmsten Jännernächte der Messgeschichte und schlussendlich
  • auf den Bergen verbreitet einen der oder gar den wärmsten Jännertag der Messgeschichte.

Verrückt? In der Tat. Doch gehen wirs der Reihe nach durch – am Beispiel der Bundeshauptstadt. Bitte behaltet im Hinterkopf, dass die längste Messreihe in Wien bis ins Jahr 1872 zurückreicht (Station Hohe Warte).

Prosit Klimawandel!
Bereits die letzte Nacht des Jahres war von Rekordwärme gezeichnet: Im Westen der Stadt (Mariabrunn, nach der Hohen Warte jene Station mit der längsten Messreihe in Wien, Beginn 1936) lag das Minimum bei gerade Mal 12,1 Grad – nie war eine Dezembernacht irgendwo in Wien wärmer, auch nicht innerstädtisch! Es folgte ein rekordwarmer Silvestertag mit einem Maximum von 16,8 Grad im Osten der Stadt (Donaufeld) – der alte Wiener Silvester-Höchstwert wurde damit um gut 2 Grad überboten, bezirksweise wurden Dezember-Rekorde verzeichnet (Innere Stadt, Donaufeld, Stammersdorf) . Zum Läuten der Pummerin um Mitternacht wurden schließlich 15,3 Grad gemessen – der alte Rekord um satte 5 Grad (!) pulverisiert. Auf die stadt- wie österreichweit wärmste Silvesternacht folgte der (stadtweit) wärmste Neujahrsmorgen und schließlich mit 16,8 Grad auch der (stadtweit) wärmste Neujahrstag, nur der Titel “wärmste Jännernacht” wurde knapp aber doch verfehlt. Frohes neues Jahr!

Der Rekordreigen zum Jahreswechsel 2021/22 am Beispiel Wien.

Die Höchstwerte zu Silvester und Neujahr in Österreich.

Historische Winterhitze
Um die Dimension dieser winterlichen Hitzewelle auch auf Österreich-Ebene anschaulich zu machen, zwei Beispiele: Über alle Stationen und Jahre hinweg gab es landesweit noch nie eine Silvesternacht mit einem zweistelligen Minimum, der bisherige österreichweite Rekord der wärmsten Silvesternacht war schon sehr alt und stammte aus dem Jahre 1921, aufgestellt in Wien (Hohe Warte) mit einem Minimum von 9,5 Grad. Dieser Wert wurde heuer gleich 17 Mal (!) überboten, Spitzenreiter die Wiener Innenstadt mit 12,3 Grad. Noch viel drastischer der Vergleich des ersten Tages im neuen Jahr: An 34 Stationen österreichweit wurde am 01.01. ein Höchstwert von mehr als 15 Grad registriert – und damit an mehr als doppelt so vielen Stationen wie zuvor mit insgesamt 16 Mal über alle Jahre seit Beginn der Messungen zusammen! Die alten Höchstwerte wurden dabei regelrecht zerschmettert, wie beispielsweise in Gleisdorf mit 17,9 Grad (ST, alter Tagesrekord bei 9,9 Grad / 2005) oder in Wörterberg mit 16,6 Grad (B, alt: 11,3 Grad / 1983), Köflach (ST) hat mit seinen 18,8 Grad gar einen österreichweiten Rekord aufgestellt (alt: 18,0 Grad in Wiener Neustadt (NÖ) / 1984). Am 02. d. M. erreichte der Wärme-Irrsinn schließlich auch unsere Berge: Quer übers Land – vom Arlberg (V/T) über die Tauern (OT/S/K) bis zum Dachstein (OÖ) – purzelten die Wärmerekorde, wie unter anderem auf der Rudolfshütte (S) in 2300 Meter Seehöhe: Mit 8,5 Grad wurde hier oben der Jänner-Rekord um 1 Grad überboten (alt: 7,5 Grad / 1999, Messbeginn 1963). Der Jahreswechsel 2021/22 hat Österreichs Klimageschichte zweifelsfrei neu geschrieben.

Eine Auswahl an Stationen, die im Jänner 2022 einen Temperaturrekord ein- oder aufgestellt haben.

Sankt Blasius
Von diesem Rekordreigen konnte sich der Winter in Folge nicht mehr erholen; so wohlwollend der Dezember zu Beginn auch gewesen sein mag, die Tage um den Jahreswechsel waren bereits ausreichend, um das Schicksal der gesamten Jahreszeit zu besiegeln: Bereits zur Winterhälfte lag der Winter in den Top 20 der wärmsten Österreichs, die fehlende Kälte im folgenden Hochwinter katapultierte ihn schließlich in die Top 10. Mit ein Grund: Der nicht enden wollende Nachschub an Sturmtiefs, der im Jänner seinen Anfang nahm und erst Mitte Februar mit Orkan Ylenia (am 17. d. M.) seinen Höhepunkt fand. Winterstürme sind an sich nichts Ungewöhnliches und kommen immer wieder vor, in guter Erinnerung dürfte vielen wohl Orkan Kyrill (2007), die Winterstürme Paula (Jänner 2008) und Emma (Anfang März 2008) oder – in jüngster Vergangenheit – das Damen-Quartett Petra, Sabine, Yulia und Bianca (alle Feber 2020) sein. Älteren ist vielleicht auch noch beispielsweise Orkan Vivian im Februar 1990 ein Begriff, mit 3 Milliarden Schilling (ja, damals gab es noch eine eigene österreichische Währung, ca. 218 Millionen Euro) einer der teuersten Stürme des 20. Jahrhunderts.

Ungewöhnlich stürmisch
Dennoch war der heurige Winter herausragend: An jedem dritten Tag in diesem Winter (eigentlich sogar häufiger, in Summe an 36 Tagen) wurden beispielsweise in Wien (Hohe Warte) stürmische Böen von mehr als 60 km/h gemessen, an 13 davon gar Böen größer 80 km/h – es gibt nicht viele Winter in der Bundeshauptstadt, die sich derart windig präsentierten (ähnlich stürmisch war z.B. der Winter 1975/76 mit 36 [60 km/h] bzw. 21 Tagen [80 km/h] – u.a. Orkan Capella). In Eisenstadt (B) und St. Pölten (NÖ) brachte der heurige Winter überhaupt die größte Anzahl an Tagen mit Böen von mehr als 60 km/h, was allerdings aufgrund der im Vergleich zu Wien kürzeren Zeitreihe (Messbeginn erst 1984) mit Vorsicht zu genießen ist – nicht ganz unwahrscheinlich, dass die 70er auch hier stürmischer waren. Die übrigen Landeshauptstädte konnten mit dieser Sturm-Freude des Flachlandes in Summe zwar nicht mithalten, einzelne Ereignisse aber waren auch hier herausragend; in Innsbruck (Station Universität) wurden beispielsweise am 07. Februar innerstädtisch 115,2 km/h gemessen – nicht nur die mit Abstand höchste Windgeschwindigkeit in der Tiroler Landeshauptstadt (bisheriger Rekord: 105 km/h im Juli 2015), sondern auch eine der höchsten Böen unterhalb von 1000 Meter Seehöhe im ganzen Bundesland Tirol  (ähnliche oder höhere Windgeschwindigkeiten gabs bislang nur am Innsbrucker Flughafen, in Reutte und Lienz).

Die Anzahl der stürmischen Tage (Böen 60 ≥ km/h) in den Landeshauptstädten im Winter 2021/22. Rekord in Eisenstadt und St. Pölten, jener in Wien wurde eingestellt.

Die höchsten Böen in den Landeshauptstädten:

Ort Bundesland max. Böe Datum
Innsbruck – Universität T 115,2 km/h 07.02.2022
Eisenstadt B 102,6 km/h 17.02.2022
Wien – Hohe Warte W 101,5 km/h 17.02.2022
St. Pölten 97,9 km/h 17.01.2022
Salzburg – Freisaal S 87,5 km/h 17.02.2022
Klagenfurt K 76,0 km/h 07.02.2022
Bregenz V 73,1 km/h 07.02.2022
Graz – Universität ST 70,6 km/h 30.01.2022
Linz 69,8 km/h 17.02.2022

Die Höchstwerte vom 17. Februar 2022 im Zuge des Orkantiefs Ylenia – einer der wärmsten Wintertage der österreichischen Messgeschichte!

Frühsommer im Hochwinter
Stürmische Winter sind häufig Ergebnis eines sehr aktiven Atlantiks und Zeichen ausgeprägter Westwetterlagen, die wiederum gerne mal gängige Anstandsregeln der Jahreszeiten aufs Gröbste missachten. Zu diesen zählt unter anderem, dass der Frühsommer in den Juni gehört, mit Bauchweh auch mal in den Mai – im Februar allerdings hat Frühsommer-Wärme absolut nichts verloren, doch wen kümmerts? Den heurigen Winter bestimmt nicht: Zum Höhepunkt der Sturmsaison am 17. Februar (Orkan Ylenia) wurde erstmals im Jahr die 20-Grad-Marke geknackt, mit einem Spitzenwert von 22 Grad in Graz und Deutschlandsberg (beide ST). Offensichtlich auch die meisten Medien nicht: Statt reflektierender Berichterstattung erschallten die Freudenfanfaren, dass Österreich einen der wärmsten Wintertage der Messgeschichte zu verzeichnen hatte, war hingegen kaum jemandem eine Meldung wert; in Graz zum Beispiel ging der 17.02. als zweitwärmster Wintertag seit dem 19. Jahrhundert in die Stadtgeschichte ein, nur Ende Februar 2019 war es noch etwas wärmer.

Stationen, die am 17. Februar 2022 im Zuge des Sturmtiefs Ylenia die 20-Grad-Marke übertroffen haben: 

Ort Bundesland 17.02.2022 Rekord
Graz – Straßgang ST 22,1° 2. wärmster Wintertag
Deutschlandsberg ST 21,9° 4. wärmster Wintertag
Graz – Flughafen ST 21,6° 2. wärmster Wintertag
Graz – Universität ST 21,5° 2. wärmster Wintertag
Köflach T 21,2° 4. wärmster Wintertag
Eisenstadt S 21,1° Winter-Rekord eingestellt
Berndorf ST 20,6° 5. wärmster Wintertag
Frohnleiten ST 20,6° 2. wärmster Wintertag
Mattersburg B 20,5° 4. wärmster Wintertag
Wiener Neustadt W 20,5° 3. wärmster Wintertag

Wann wird’s mal wieder richtig frostig?
Was tagsüber möglich ist, geht bei Winterstürmen auch nachts: Am Morgen des 17. Februar wurde beispielsweise im oberösterreichischen Kremstal in Micheldorf eine Frühtemperatur von 15,8 Grad gemessen – zum Vergleich: damit war hier das Aufstehen an jenem Februartag wärmer als an so manchem Sommertag, die durchschnittliche Frühtemperatur in den Monaten Juni-August liegt nämlich bei gerade mal 15,4 Grad. Freilich war jetzt nicht eine jede Nacht in diesem Winter sommerlich unterwegs, kalt aber war es häufig ebenso wenig: Im Zuge des Sturm-Reigens blieb beispielsweise das östliche Flachland praktisch durchgehend im positiven Temperaturbereich, hier zählt der Winter 2021/22 damit zu den frostärmsten der jeweiligen Messgeschichte; in der Bundeshauptstadt belegt er beispielsweise mit bloß 31 Frostnächten Platz 4 (noch weniger Frost brachten lediglich die Winter 2006/07 [25 Tage], 2016/17 [27] und 1974/75 [29] – Messbeginn 1865), in St. Pölten mit 36 Tagen Platz 3 (weniger: 2015/16 [28] und 2006/07 [32] – Messbeginn 1947). Nur Klagenfurt, Graz und Innsbruck konnten das Frost-Soll erreichen – in den Nächten wohlgemerkt.

Ort Bundesland Frosttage Mittel 1991-2020 Abweichung
Klagenfurt K 82 78 + 5 %
Innsbruck – Universität T 64 64 +/- 0 %
Graz – Universität ST 61 65 – 6 %
Salzburg – Freisaal S 48 58 – 17 %
Bregenz V 42 47 – 11 %
St. Pölten 36 56 – 36 %
Linz 36 52 – 31 %
Eisenstadt B 35 55 – 36 %
Wien – Hohe Warte W 31 49 – 37 %

In Algund (Südtirol) ist durch die immer wärmeren Winter ein Palmenwald im Entstehen – Aufnahme vom Februar 2022. Das Ausbleiben von Frost gestaltet ganze Ökosysteme um (Credit: Daniel Schrott)

Eine Sache der Härte
Tagsüber sieht es mit Ausnahme von Klagenfurt in allen Landeshauptstädten katastrophal aus: Sogenannte Eistage, also Tage mit einem Höchstwert unter 0 Grad, sind quasi das Pendant zu den heißen Tagen im Sommer (≥ 30 Grad) und geben Auskunft über die Härte eines Winters – ist deren Anzahl hoch, gilt ein Winter als besonders streng; häufig treten solche Eistage im Zuge von Kältewellen auf. Der heurige spricht da eine deutliche Sprache: Totalausfall in Innsbruck, Quasi-Totalausfall in Salzburg und Graz, gerade mal 3 bzw. 4 in den anderen Landeshauptstädten, nur Klagenfurt konnte sein Soll mit 27 Eistagen übererfüllen. Man muss Kälte nicht mögen, anders als Hitze allerdings erfüllt Frost wichtige ökologische Funktionen, ein Ausbleiben kann ganze Ökosysteme auf Dauer schädigen und nachhaltig umgestalten. Insofern mutet es also fast befremdlich an, wenn viele Medien (vom ORF abwärts) die derzeitige Energiekrise als Rechtfertigung für einen warmen Winter missbrauchen.

Kalt ist nicht gleich kalt
Inneralpin sind freilich andere Maßstäbe anzusetzen, Frost- wie Eistage, die beide über die 0-Grad-Marke definiert sind, dürfen im Winter im Bergland als häufig bzw. je nach Region auch als Standard gesehen werden. Erst beim Herabsetzen dieser Schwelle offenbart sich, dass der heurige Winter selbst inneralpin ein eher handzahmer war, wie exemplarisch die Anzahl der Minus-20-Grad-Tage zeigt: Strenger Frost dieser Größenordnung mag beeindruckend sein und stellt im Flachland auch eine gewisse Gefahr dar (derart tiefe Temperaturen sind schließlich vielerorts zwar nicht ungesehen, aber doch ungewohnt), im Bergland allerdings gibts dergleichen praktisch in jedem Winter, selbst in den letzten 30 Jahren brachte es ein durchschnittlicher auf 7 Tage, an denen irgendwo im Land (unterhalb von 1000 Meter) diese Marke erreicht oder unterschritten wurde; im letzten Jahrhundert kam ein durchschnittlicher gar noch auf 14! Heuer hingegen die magere Ausbeute von lediglich 2 Tagen, und selbst an diesen wurde der -20er gerade Mal mit Müh und Not geknackt – quod erat demonstrandum.

Knackig kalt am 14.02.2022 in Zell am See (S) mit -20,1 Grad, der Kälterekord liegt allerdings bedeutend tiefer bei -32,9 Grad – aufgestellt im Februar 1956 (Bild: foto-webcam.eu)

2021/22 2006/07 2019/20 2015/16 2013/14
Platz 8 wärmster Winter 2-wärmster Winter 3-wärmster Winter 4-wärmster Winter
Dezember +1,2° +2,4° +2,6° +4,5° +2,2°
Jänner +2,3° +4,3° +2,6°  +1,3° +2,9°
Feber +3,1° +3,7°  +4,1°  +3,6° +2,9°
Winter +2,2°  +3,5° +3,1°  +3,1° +2,7°

Info: Abweichungen nach Spartacus (ZAMG) zum Klimamittel 1981-2010 in Grad Celsius – die Abweichungen weichen in Magnitude von der Tabelle zu Beginn dieses Artikels ab (unterschiedlicher Datensatz & Mittelungsperiode), was allerdings nichts an der Platzierung ändert.

Der Winter reiht sich unter die wärmsten der Messgeschichte Österreichs (Temperaturabweichung in °C zum langjährigen Mittel, Karte: ZAMG)

Dezember sei Dank
Fassen wir zusammen: Von den 3 Wintermonaten gab sich der Dezember noch am normalsten, Spompanadeln wie rund um Weihnachten sind zwar klimatologisch als Einzelereignisse herausragend, in der Gesamtbilanz tun sie aber nicht weiter weh. Ab dem Jahreswechsel zog sich der Winter weitestgehend ins Bergland zurück und genießt hier vorrangig der Schneefreudigkeit wegen einen nicht allzu schlechten Ruf. Im Flachland hingegen vollbrachte der Winter das Kunststück, in der klimatologisch kältesten Zeit des Jahres (dem Hochwinter) nicht ein einziges Mal wirklich kalt gewesen zu sein; der absurd warme Jahreswechsel wie auch die februarnische Frühsommerwärme tragen ihr übriges bei und hieven den nächsten Winter des 21. Jahrhunderts in die Top 10 der wärmsten Österreichs seit 1768. Dass er sich in der Gesamtbilanz nicht höher einreiht, ist ausschließlich einem mutigen Dezember zu verdanken. Am Ende aber bleibt: Hat der Atlantik erst einmal das Kommando inne, bedeutet das eines jeden Winters Todesstoß. Im Zuge des Klimawandels wird dieser künftig wohl noch viel schmerzvoller.

PS: Im Flachland platziert sich der Winter überhaupt in den Top 5 der jeweiligen Messgeschichte, in Wien und Eisenstadt zum Beispiel belegt er den zweiten Platz (geschlagen nur vom Unwinter 2006/07), in Linz belegt er Platz 3, in St. Pölten Platz 4. Und auch das vermeintlich “kalte” Klagenfurt reiht sich auf Platz 32 (Daten seit 1813).

PPS: Mein unendlicher Dank gebührt Alexander Orlik (ZAMG), Thomas Rinderer (ORF), Clemens Grohs (Kachelmannwetter) und Thomas Kumpfmüller (AustroControl), die mir wie immer mit Tipps, Rat und Unterstützung zur Seite standen. Auch danke ich all jenen, die meine Arbeit zu schätzen wissen; ein solcher Artikel schreibt sich nicht von selbst, eine jede Zahl möchte überprüft, eine jede Information eingebaut werden – was natürlich für jemandem wie mich, der am liebsten jedes noch so kleine Detail erwähnen möchte, eine gewisse Herausforderung darstellt :) Viele schlaflose Nächte waren die Folge – aber was tut man nicht alles der Leidenschaft wegen … vielen Dank fürs Lesen!

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