Der Schneeflockenmann
Die meisten hierzulande hatten wohl schon einmal mit Schnee zu tun. Viele nutzen ihn bei sportlichen Aktivitäten auf Ski- und Langlaufpisten, andere formen ihn zu Figuren oder Wurfgeschoßen. Für andere bedeutet er viel Arbeit – Stichwort Schneeräumung. Manche erfreuen sich wiederum einfach nur an seinem Anblick. Doch kaum jemand sieht mal genauer hin …
Denjenigen, die es dann doch tun, ist vielleicht aufgefallen, dass eine größere Schneeflocke aus mehreren zusammengewachsenen Schneekristallen bzw. die Schneemasse am Boden wiederum aus unzähligen kleinen Schneekristallen besteht. Im 19. Jahrhundert gab es jemanden, der dahingehend besonders genau hingesehen hat: Wilson Alwyn Bentley.
Bentley (geboren am 9. Februar 1865 als Sohn eines Farmers in den USA) war schon als Kind fasziniert von Schneeflocken. Bei jedem Schneeschauer sammelte er die Flocken ein und betrachtete diese unter dem Mikroskop in seiner kalten Scheune. Im Laufe der Jahre stellte er fest: “Keine Schneeflocke gleicht der anderen!”. Denn je nach atmosphärischem Zustand wie zum Beispiel Lufttemperatur, Luftfeuchtigkeit, Wind und beteiligter Aerosole (kleinste Partikel in der Luft) wachsen die Schneekristalle immer zu einer etwas anderen Form. Sterne, Plättchen, Säulen oder Nadeln sind dabei nur grobe Einteilungen, denn die Struktur von Schneekristallen ist extrem vielfältig.
Leider ist der Anblick der Schneekristalle unter dem Mikroskop sehr vergänglich, denn selbst bei niedrigen Temperaturen verändert sich ihre Form durch Verdunstung sehr rasch und sie lösen sich nur kurze Zeit später vollständig “in Luft” auf. Auf der Suche nach der Lösung des Problems experimentierte der mittlerweile 17-jährige Bentley mit einem Fotoapparat mit Mikroobjektiv. Nach vielen erfolglosen Versuchen gelang es ihm ab dem 15. Jänner 1885 (mit knapp 20 Jahren) beeindruckende Fotoaufnahmen von Schneekristallen für die Nachwelt festzuhalten.
Auch wenn er mit seiner Arbeit zu dieser Zeit unter Wissenschaftlern nicht allzu große Anerkennung erlangte, hielt er an seiner Profession fest. Bis zu seinem Lebensende fotografierte er mit akribischer Genauigkeit mehr als 5.000 (!) Schneekristalle und veröffentlichte im November 1931 mit 66 Jahren sein Lebenswerk in dem Buch Snow Crystals (Bentley, Wilson A. und Humphreys, William J.). Nur kurze Zeit später, am 23. Dezember 1931, verstarb Bentley an einer Lungenentzündung, die er sich tragischerweise ausgerechnet während eines Schneesturms zugezogen hatte.
Wenngleich er zu seinen Lebzeiten nicht den Ruhm erlangte, den er vielleicht verdient hätte, so haben seine Bilder dafür bis heute einen hohen wissenschaftlichen Stellenwert und Wilson Alwyn Bentley ging als “The Snowflake Man” (“Der Schneeflockenmann”) in die Geschichte ein.
Vielleicht sehen nun mehr von uns genauer hin, wenn es das nächste mal schneit!
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